Interview mit Arash T. Riahi über EIN AUGENBLICK FREIHEIT
von Gunnar Landsgesell

Gunnar Landsgesell: Ihr Film ist ungemein dicht inszeniert. Trifft hier die Intensität des ersten Spielfilms auf die äußere Realität einer Flucht an sich?
Arash T. Riahi: Beides. Wenn ich ins Kino gehe, möchte ich, dass mich ein Film nicht kalt lässt, er soll möglichst viele Sinne ansprechen. Der Film ist aber trotz meiner Erfahrungen, die ich als Kind auf der Flucht aus dem Iran gemacht habe, nur zu einem geringen Teil autobiographisch. Mein Ziel war es, aus den Erzählungen von Flüchtlingen und selbst erlebtem drei exemplarische Geschichten von Menschen auf der Flucht zu erzählen. Jede Geschichte sollte dabei eine Seite dieser Situation beleuchten. Bei der Inszenierung habe ich den Film in drei Abschnitte aufgeteilt. Die erste Etappe der Flucht in den Bergen sollte natürlich auch dem Inhalt formal entsprechen. Das heißt, diese Rastlosigkeit und Bewegung in eine ungewisse Zukunft bei der Flucht sollte durch eine bewegte, fließende Kameraarbeit dargestellt werden. Im Gegensatz dazu sollte der mittlere Teil, in dem es um eine Art von Stagnation und Stillstand geht, ruhiger gestaltet sein. Gelegentliche Ausbrüche aus diesem ruhigen Stil waren für besonders emotionale Szenen bestimmt, um diese vermeintliche Ruhe, die ja keine wirkliche Ruhe ist, zum Explodieren zu bringen. Im letzten Drittel des Filmes, wenn die Geschichten sich wieder in die eine oder andere Richtung zu bewegen beginnen, folgt auch die Kamera diesem Gestus. Aber auch wenn ich vom Dokumentar- und Experimentalfilm komme, sollte sich hier die Form nie in den Vordergrund drängen, denn das wäre meiner Meinung nach eine Themenverfehlung bei einer klassisch- humanistischen Geschichte.

Die Arbeit am Drehbuch hat ja sehr lange gedauert. Wie sind Sie dabei vorgegangen und was waren die Arbeitsschritte?
Nachdem meine Einreichung für Drehbuchsförderung im Jahr 2001 von der Filmförderung einstimmig abgelehnt wurde, musste ich erstmal raus aus Österreich und auf eigene Faust und Kosten mit internationaler Unterstützung das Buch entwickeln. Die Dichte des Films ist sicherlich auch das Ergebnis dieses akribischen und mehr als sechsjährigen Entwicklungsprozesses mit 14 Drehbuchfassungen. Nachdem ich ja nie auf einer Filmschule war, habe ich mit dem Drehbuch diverse internationale Drehbuch-Workshops besucht und dabei von renommierten Autoren und Regisseuren sehr viel über Dramaturgie und das Geschichtenerzählen an sich gelernt. Das Drehbuch war z.B. eines von zwei internationalen Projekten, das unter 2500 Einreichungen für das Sundance Scriptlab ausgewählt wurde. Und Leute wie Sydney Pollack oder Jacques Fieschi, der Drehbuchautor von Olivier Assayas, haben sich beim Equinoxe-Workshop sehr positiv über das Drehbuch geäußert. Inhaltlich wusste ich schon sehr viel über das Thema aus der eigenen Fluchterfahrung, aber auch durch viele Interviews mit Flüchtlingen und NGOs, sowie Recherchereisen an die türkisch/iranische Grenze. Diese Reisen waren vor allem wichtig, um heraus zu finden, was sich in den letzten Jahren an der Flüchtlingssituation dort geändert hatte.

Sie erzählen nicht eine, sondern gleich drei Fluchtgeschichten, die Sie schließlich zusammenführen. Die Summe dessen, was die Erfahrung von Flüchtlingen ausmachen könnte?
Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt. Viele Leute rieten mir für das erste Spielfilm-Drehbuch zu einer einfachen Struktur. Ich will mich aber nicht mein Leben lang mit diesem Thema beschäftigen. Deshalb versuchte ich, das Thema so umfassend wie möglich zu beschreiben. Ich wollte von jemandem erzählen, dessen Flucht gelingt, von jemandem, der es nicht schafft. Von alten Menschen genauso wie von Kindern, davon, wie ein Ehepaar in so einer Situation agiert oder auch jemand, der sich sprachlich kaum verständigen kann. Die Idee war also, von der Flucht möglichst universell zu erzählen. Natürlich kommen die Menschen im Film aus dem Iran oder dem Irak, aber die Konstellation der Figuren könnte von überall sein.

Trotz universeller Aussage gehen einem die einzelnen Charaktere empfindlich nahe. Welches Gleichgewicht haben Sie zwischen dem zuweilen surrealen Humor und den politisch motivierten Fragen gesucht?
Mir war von Anfang an klar, dass das ein hartes Thema ist und mir war auch klar, dass ich keinen düsteren Film machen will, der für eine Minorität von üblichen Verdächtigen gemacht ist. Ich wollte einen anspruchsvollen Film machen, der auch sein Publikum finden kann, denn nur so kann man mit politischen Filmen wirklich ein Bewusstsein in der Gesellschaft schaffen oder ändern. Müsste ich meinen persönlichen Stil beschreiben, so versuche ich, Inhalte von einer menschlichen Seite aufzurollen und mit einigem Humor zu verpacken, nicht nur um sie so erträglicher zu machen, sondern vor allem, um mit meiner Botschaft zu den Menschen durch zu dringen. Wenn Menschen zu lachen beginnen, öffnet sich der Kopf. Dann lässt man viel eher auch unbequemere Botschaften an sich ran.

Sie verzichten auf fake-dokumentarisches Kamerageplänkel, dennoch wirken die Bilder unmittelbar und „erfahrungsnahe“. Welche narrativen Strategien haben Sie verfolgt?
Obwohl ich bislang nur Dokumentarfilme gemacht habe, war mein Ziel bei meinem ersten Spielfilm nicht, einen möglichst realistischen Film, der die Wirklichkeit abbildet, zu drehen. Ich wollte eine Interpretation der Wirklichkeit, in Form eines poetischen Realismus schaffen. Der Reiz des Spielfilms bestand für mich nicht darin, meine dokumentarischen Arbeiten zu wiederholen, sondern über die Mittel der Abstraktion vielleicht sogar einen höheren Grad an Wirklichkeit zu erzeugen, als vielleicht mit einem Dokumentarfilm möglich ist. Das hat viel mit Präzision und Vorbereitung und weniger mit Spontaneität zu tun. Das fängt beim Cast an, der bis in die kleinsten Rollen sehr stark mit der „Realität“ der Figuren korrespondiert (fast alle Schauspieler sind selbst Flüchtlinge) und hört mit der narrativen Darstellung der Figuren selbst auf. Wo ich beim Dokumentarfilm aus Rücksichtnahme auf die Personen einiges ausklammern muss, kann ich mich beim Spielfilm bis in sehr schmerzhafte Bereiche bewegen.

Wie sind Sie auf die „fade outs“ und die nicht narrativen Elemente gekommen, mit denen Sie die Eskalation vieler Szenen immer wieder verhallen lassen?
Am Ende der Szenen gibt es oft einen Augenblick, in dem die Menschen ganz bei sich sind – so etwas wie Freiheit verspüren. Diese Einstellungen standen nicht im Drehbuch. Ich hatte sie aber bereits vor dem Dreh geplant und wollte bestimmte ruhige Augenblicke, wie etwa die nachdenklichen Gesichter der Schauspieler, beim Dreh einfangen. Schließlich habe ich im Stress des täglichen Drehs um diese Einstellungen kämpfen müssen, weil sie keiner narrativen Logik folgen und in ihrem Sinn nicht von jedem am Set verstanden wurden. Sie haben aber für die Stimmung eine ganz wichtige Funktion. Ich hab immer gesagt: „Ich brauche die Einstellung für die Titel oder den Nachspann.“ Damit bin ich schließlich durchgekommen!

Ihre Cutterin, Karina Ressler, hat bereits während des Drehs mit dem Rohschnitt begonnen. Welche Erfahrung war das?
Wir haben Karina schon nach einer Woche in die Türkei zum Dreh eingeflogen und sie hat dort begonnen, am Laptop die vorhandenen Muster zu schneiden. Wir wollten sehen wie das Timing der Szenen funktioniert und was der optimale Rhythmus für den Schnitt ist. Das war insofern wichtig, als es ein genaueres Arbeiten ermöglichte. Zudem war der erste Rohschnitt damit schon fertig, als wir den Film abgedreht hatten. Diese Version war exakt nach dem Drehbuch geschnitten. Dann haben wir das Drehbuch beiseite gelegt und uns nur mehr darauf konzentriert, was das gedrehte Material uns geboten hat und nicht, was einmal geplant war. Karina Ressler ist zum Glück keine Dogmatikerin, dafür eine der profiliertesten Cutterinnen des Landes. Sie ist sehr offen und auch bereit, viel zu experimentieren. Das war ganz großartig, dass jemand, der so viel Erfahrung hat wie sie, mit soviel Begeisterung und Offenheit an das Material herangetreten ist, als ob es auch ihr erster Film wäre! Wir haben Szenen verschachtelt oder auch verkehrt montiert, einfach alles Mögliche ausprobiert bis es funktioniert hat. Mir war der Rhythmus des Films extrem wichtig, dafür haben wir uns auch wirklich viel Zeit genommen. Denn oft sind es wenige Kader, die man von einer Szene wegnimmt oder dazugibt, so dass sie funktioniert.

Große Teile Ihres Films spielen in der türkischen Hauptstadt Ankara, wo Flüchtlinge tagtäglich auf eine Entscheidung der örtlichen UNHCR-Stelle warten. „Schicksale“, persönliche Historien und Hoffnungen erzeugen ein sehr reiches Ambiente. An welche Schauspieler dachten Sie?
Mir war es wichtig, den Film mit Leuten zu besetzen, die den Film nicht nur als Schauspieler lebten, sondern auch als Menschen. Am besten Leute, die selbst Flüchtlinge waren oder ähnliche Geschichten erlebt haben, Menschen die bereit waren, mit uns beim Dreh auch durch die Hölle zu gehen. Einige der Leute bewarben sich beim Casting mit so einem unbändigen Willen dabei zu sein, einfach weil ihnen der Inhalt sehr viel bedeutete, dass ich mich innerlich sehr gerührt fühlte. Aber natürlich war das wichtigste Kriterium für die Auswahl, das schauspielerische Können. Es war also sehr schwer Menschen abzusagen, die aus Überzeugung einfach nur dabei sein mussten. Beim Dreh mussten wir aber auch vorsichtig sein, da natürlich im Hinterkopf immer die Angst vor dem langen Arm des iranischen Regimes und seines Geheimdienstes da war. Tatsächlich hat die iranische Botschaft für eine kurze Zeit bewirkt, dass uns die Türken die Drehgenehmigung für Erzurum entzogen haben. Glücklicherweise konnte die Produktion den örtlichen Zuständigen für unser Projekt begeistern. Das ging dann soweit, dass er uns am ersten Tag sogar eine Militäreskorte zum Schutz geschickt hat. Ein anderes Problem war, dass einige Schauspieler mit Flüchtlingsstatus erst nach Intervention die Erlaubnis bekommen haben, in die Türkei einzureisen, denn als Flüchtling ist man dort nicht unbedingt auf der sichersten Seite. Es gibt Listen im Internet über Menschen, die aus der Türkei verschleppt und dann hingerichtet wurden. Der Vater eines Schauspielers wurde in der Türkei als Flüchtling sogar getötet.

Wo haben Sie Ihre Akteure gefunden?
Überall, in halb Europa. Dementsprechend lang hat auch das Casting gedauert. Es ist ein Mix aus Laien und Profis. Besonders schwierig war es, Leute zu finden, deren Persisch im Exil nicht schon eingefärbt ist. Wir haben das Casting in Paris übrigens bei Les Films du Losange im ehemaligen Zimmer von Eric Rohmer durchgeführt, das war eine Ehre, da war auch viel vom Filmgeist zu spüren. Die Kinder liefen natürlich ganz respektlos herum an dieser fast schon heiligen Stätte.

Die Härten des Drehs werden in einigen Szenen spürbar. Was heißt es, den Dompteur für Kinder und Tiere zu spielen?
Dass ein Kind auf einem Pferd in einem Schneesturm reitet, schreibt sich leicht ins Drehbuch. Wenn einem dieser Sturm dann mit 120 km/h um die Ohren fegt, während ein verängstigtes Kind auf diesem Pferd sitzt, das zudem ständig im Tiefschnee einbricht, ist das noch mal was anderes. Es war insgesamt die ultimative Herausforderung: Schon zu Beginn fiel ein Kind vom Pferd, ein anderer Schauspieler verknöchelte sich bei einer schwierigen Szene und musste eine Woche im Rollstuhl sitzen und bei den Bergszenen auf den Berg getragen werden. Es brachen Konflikte zwischen einigen Schauspielern aus, die ich durch viel psychologische Arbeit eindämmen konnte. Wenn wir gedreht haben, waren die Kinder sehr spontan und oft gleich beim ersten Take gut, während die Erwachsenen zwei, drei Einstellungen brauchten. Das ermüdete wiederum die Kinder und da musste ich permanent eine Balance finden. Zudem gab es sechs Sprachen am Set. Ich habe mit der Crew deutsch gesprochen, mit den Schauspielern persisch und englisch. Die türkische Regieassistentin musste dann das Ganze für die türkischen Schauspieler und Komparsen ins Türkische übersetzen. Zwei Schauspieler konnten sich untereinander nur auf Schwedisch unterhalten und mussten uns das dann übersetzen usw.

Haben Sie nie den Überblick verloren?
Ich hab mich bemüht, ihn nicht zu verlieren, aber so ein Dreh ist ein Ausnahmezustand. Das sind Anstrengungen wie beim Extremsport. Du musst jeden Tag zweihundert Prozent geben und du hast nur eine Chance für jede Szene. Zudem hatten wir einen 120 Minuten-Film nach einem Drehplan von 90 Minuten zu absolvieren. Ein Wunder, dass wir es geschafft haben. Die Tatsache, dass ich mit autobiographischem Material gearbeitet habe, brachte mir Vertrauen beim Team und den Schauspielern, ich brauchte mir keine Autorität zu verschaffen, indem ich laut wurde. Vor der Arbeit mit den Kindern hatte ich sehr großen Respekt, aber ich kann im Grunde sehr gut mit Kindern und sie haben das, glaube ich, gespürt. Wir wurden richtige Freunde, die kleine Hauptdarstellerin im Film bot mir schließlich an, in der Zeit des Drehs ihr zweiter Vater zu sein! Wahrscheinlich wird aber kein Film, den ich noch machen werde, so schwierig werden wie der erste.

Sie haben mit den Produzenten von Michael Haneke, mit Veit Heiduschka und Margaret Menegoz gearbeitet. Die ideale Konstellation für dieses Projekt?
Es war eine sehr gute Zusammenarbeit angesichts der Größe dieses Projekts. Ab dem Zeitpunkt der Förderungszusage war die einzige Limitierung von Seiten der Produzenten, dass ich das Buch von 166 auf 120 Minuten kürze. Sehr geschätzt habe ich, dass man mir ehrlich die Meinung zu bestimmten Fragen gesagt hat, die endgültige Entscheidung aber immer mir überlassen hat. Einen so erfahrenen Produktionsleiter wie Michael Katz zu haben, ist wahnsinnig viel Wert. Er und seine Kollegin Ulli Lässer sind immer zum Film und zu mir gestanden und haben alles, was theoretisch möglich gewesen wäre, auch möglich gemacht.

Ein Augenblick Freiheit ist mit 3,5 Millionen Euro einer der teuersten österreichischen Erstlingsfilme. Brachte Sie das unter psychischen Druck?
Der Druck war enorm, vor allem nach dem Erfolg meines letzten Dokumentarfilms „Exile Family Movie“. Ich dachte mir, vom Budget dieses Films könnten viele bedürftige Menschen auf dieser Welt eine ganze Zeit lang leben. Daher wollte ich auch keinen Film machen, um mein Ego zu befriedigen, sondern einen Film, der eine gesellschaftliche Relevanz und eine soziale Aussage hat.

Sie waren während der Vorbereitung mehrmals in der türkischen Grenzstadt Van, haben aber letztlich in der kurdischen Stadt Erzurum gedreht. Warum?
Aus mehreren Gründen. Einerseits wollte ich nicht das Leben einiger meiner Schauspieler riskieren, die selbst geflüchtet sind. Mir haben Flüchtlinge vor Ort erzählt, dass sie sich nicht in die Stadt wagen, weil dort immer wieder Menschen verschwinden, also offenbar vom iranischen Geheimdienst verschleppt werden. Andererseits hat das Militär einmal vor unseren Augen eine Tasche in die Luft gesprengt, da sie darin eine Bombe vermuteten. Die Gegend ist wirklich sehr unsicher und wir hatten genug Unsicherheitsfaktoren durch den Dreh an Orten in denen es keine Film-Infrastruktur gab. Da konnten wir diesen völlig unberechenbaren Faktor nicht gebrauchen.

Einige Aufnahmen von Van finden sich dennoch im Film.
Van ist für Flüchtlinge aus dem Iran ein magischer Ort, wie die Wiege der Menschheit. Viele werden auch heute noch sehr emotional, wenn sie dieses Wort hören. Es ist das erste Bild, das sich den Menschen nach einer lebensgefährlichen Flucht über die Berge bietet. So etwas wie die Verheißung der Freiheit. Ich selbst habe dort mit neun Jahren mit meinen Eltern einen Monat verbracht.

Mit Aussagen über das politische System im Iran halten Sie sich zurück, bieten dem Publikum keinen eigentlichen Auslöser für die Flucht. Erschien Ihnen das Moment des Verlusts jeglicher Sicherheit zentraler als die Beschreibung politischer Verhältnisse?
Es gibt einige Anspielungen und auch explizite Dialoge gegen das politische System im Iran, die aufmerksame Beobachter bemerken werden. Ich wollte aber nicht einen vordergründigen politischen Film machen, auch nicht einen Film über Flüchtlinge aus dem Iran, sondern über Menschen, die überall auf der Welt vor Diktaturen fliehen müssen. Menschen, die ihre Grundrechte einfordern und dafür bereit sind zu kämpfen und Opfer zu bringen. Und wenn das in ihrem Land nicht mehr möglich ist, dann eben außerhalb des Landes. Ich wollte Flucht als Zwischenstation und vor allem als verlängerte Erfahrung der politischen Situation erzählen. Es ging mir also letztlich nicht darum, ein schwieriges Leben im Iran zu zeigen oder wie es Flüchtlingen später in Österreich ergeht. Indem ich erzähle, was Menschen auf ihrer Flucht durchzumachen bereit sind, treffe ich auch eine deutliche Aussage darüber, dass sie in ihrer Heimat etwas erlebt haben, das unerträglich genug war, um sie in die Flucht zu treiben.

Der Topos der Flucht ist in Europa mit einem sehr einschlägigen Bild von Schleppern aufgeladen. Sie halten das neutrale Bild eines Fluchthelfers entgegen.
Der Wissensstand in unseren Breitengraden ist vor allem, dass Schlepper Gangster sind, die Flüchtlinge finanziell ausnehmen und leichtfertig deren Tod riskieren. Das ist auch oft so, aber eben nicht immer. Es gibt auch Schlepper, die aus ideologischen Gründen diese Arbeit tun. Diese Schlepper habe ich selbst auf der Flucht mit meinen Eltern erlebt. Das sind Menschen, die ihre Arbeit als einen Kampf gegen das politische System in diesen totalitären Staaten sehen. Indem sie Regimegegnern die Flucht ermöglichen, unterstützen sie den Widerstand.

Wie viel Autobiographisches steckt schließlich in Ihrem Film?
Vielleicht zehn Prozent. Ich habe auch Erfahrungen meiner Geschwister und - wie gesagt - auch anderer Flüchtlinge verwendet. Meine Eltern mussten das Land praktisch über Nacht verlassen, nachdem sie verraten wurden. Sie waren beide Lehrer, kritische Geister, mein Vater verbrachte als Linker– noch vor der Revolution – fünf Jahre im Gefängnis. In der Zeit vor der Flucht lebten wir ein Jahr im Untergrund bei einer Familie in Untermiete. Die wussten von gar nichts! Weil deren kleiner Sohn auch nichts bemerken durfte, musste ich vortäuschen, dass ich täglich in die Schule gehe. Ich bin dann mit meinem Vater spazieren, einkaufen und ins Kino gegangen. Vielleicht ist zu dieser Zeit auch meine Liebe zum Film entstanden. Das Zeugnis, das ich am Ende des Jahres dem anderen Jungen gezeigt habe, war das vom Vorjahr. Wir haben nur die Jahreszahl darauf geändert. Aber das ist ein anderer Film!

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