Interview mit dem Regisseur Arash T. Riahi von Karin Schiefer

Nach Exile Family Movie ist mit Für einen Augenblick, Freiheit ein zweiter Film am Entstehen, wo Sie z.T. Ihre Familiengeschichte miteinbeziehen. War die Arbeit an Exile Family Movie so etwas wie ein Katalysator, diese Geschichte weiter aufzuarbeiten?
Arash T. Riahi: Die Idee zum Spielfilm gab es schon viel früher, ich habe schon 2000 an der Geschichte zu schreiben begonnen. Das Drehbuchforum bot damals eine sechsmonatige Betreuung durch einen Dramaturgen an. Ich war damals Mitte zwanzig und man hat mir nahe gelegt, dass es für den ersten Film von Vorteil ist, ein Thema und ein Milieu zu wählen, das ich gut kenne und eine Geschichte, die nur ich erzählen kann. Damit war klar, dass es thematisch nur in diese Richtung gehen konnte. Bei Für einen Augenblick, Freiheit sind vielleicht 10% autobiografisch, der Rest basiert auf wahren Begebenheiten, von denen ich gehört oder gelesen hatte, sowie auf der Geschichte meiner Geschwister. Exile Family Movie war im Vergleich dazu viel persönlicher. Im Spielfilm geht es um drei unterschiedliche Geschichten von Menschen, die auf der Flucht und auf der Suche nach Freiheit sind. Die Geschichten spielen hauptsächlich in der Türkei und im Grenzgebiet zum Iran. Einige Geschichten enden in Europa. In Österreich spielen lediglich zwei Szenen des Filmes.

Worum geht es in diesen drei Handlungssträngen?
Arash T. Riahi: In der Hauptgeschichte geht es um zwei Kinder (fünfeinhalb und sechseinhalb), die von zwei 20-jährigen Jungendlichen aus dem Iran hinausgeschmuggelt werden, mit dem Ziel, sie zu ihren Eltern nach Österreich zu bringen. Die andere Geschichte handelt von einer Familie, in der der Mann politisch engagiert ist, er mit Frau und Kind in die Türkei flieht und dort durch alle bürokratischen Mühlen muss, um zu beweisen, dass er im Iran politisch verfolgt wird. In der dritten Geschichte geht es um eine Männerfreundschaft zwischen einem älteren iranischen Oppositionellen und einem jüngeren irakisch-kurdischen Englisch-Lehrer. Eine Art tragikomische Vater/Sohn-Geschichte, die eher die komischen Elemente des Films in sich trägt. Die Nähe von tragischen und humorvollen Elemente ist mir extrem wichtig. Ich betrachte Humor als Überlebensmotto und wenn man sich in solchen Extremsituationen nicht wie diese Flüchtlinge ein Minimum davon bewahrt, kann man nur zerbrechen. Man hat ja sonst nicht viel, woran man sich halten kann.

Spielt alles Mitte der achtziger Jahre oder im Heute?
Arash T. Riahi: Nein, es spielt alles im Heute. Es gab die Überlegung, die Handlung in die damalige Zeit zu versetzen. Wenn man aber eine Flüchtlingsgeschichte in die achtziger Jahre zurückversetzt, dann besteht die Gefahr, dass die Zuschauer sich sagen, ach, das war ja nur damals so. Ich habe über die UNO recherchiert, in den Flüchtlingsgebieten an der türkisch-iranischen Grenze mit Flüchtlingen gesprochen, nachverfolgt, was sich in den letzten Jahren geändert hat. Es ist immer noch ein Gebiet mit einem regen Flüchtlingsstrom. In den achtziger Jahren war natürlich ein größerer Strom, aber auch jetzt gibt es immer wieder Perioden, wo viele Flüchtlinge über diese Grenzen flüchten, je nachdem, wie die aktuelle politische Situation in den betroffenen Grenzländern gerade ist. Während unserer Dreharbeiten sind 40 Flüchtlinge aus dem Iran aufgegriffen und zurückgeschickt worden. Es ist auf alle Fälle schwieriger geworden, nach Europa durchzukommen. Man meldet sich als Flüchtling beim UNHCR-Büro in Ankara, Istanbul oder Van und wenn man als politischer Flüchtling anerkannt ist, dann muss man warten, bis man einem Land mit einer Flüchtlingsquote zugewiesen wird. Es ist kein Honiglecken. Auch wenn man einen Flüchtlingsstatus erhält, wird man irgendwo hingeschickt, oft ohne Rücksicht auf die restlichen Verwandten, die schon in einem Land sind. Im Film haben zwei echte Flüchtlinge mitgespielt, der eine wartet seit zehn Jahren darauf, dass ihn ein Land aufnimmt, der andere seit sechs.

Spielt also auch ein dokumentarischer Aspekt in Ihren Spielfilm hinein?
Arash T. Riahi: Es fließt insofern Dokumentarisches ein, als einige echte Flüchtlinge sich selbst spielen und es sich um einen Film handelt, der auf wahren Geschichten beruht. Da ich bisher Dokumentarfilme gemacht habe, erwartet man von mir wahrscheinlich auch einen dokumentarischen Spielfilm, aber mir ist immer eher ein poetischer Realismus vorgeschwebt. Ich wollte mit den Bildern und in meiner Erzählweise zusätzlich zu einer dokumentarischen auch andere Ebenen einfließen zu lassen. Ein wichtiger Gedanke, in der Vorbereitung war für mich die Frage – was kann ein Spielfilm über einen Dokumentarfilm hinaus sein? Ich hatte ja schon zwei Dokumentarfilme gemacht, die zum Teil sehr persönlich sind, und wollte mich nicht in meinem Spielfilmdebüt wiederholen. Am Anfang dachte ich mir, ein Spielfilm kann ja nie „echter“ oder „realer“ werden als ein Dokumentarfilm. Nur einen Spielfilm machen um des Spielfilms willen, das wäre für mich zu wenig gewesen. Ich wollte einen Spielfilm machen, der seinem realistischen Thema auf einer symbolischen Ebene vielleicht sogar näher kommen kann als ein Dokumentarfilm zum selben Thema. Denn es ist eine Tatsache, dass Menschen, die in Dokumentarfilmen vorkommen, auch ein Leben vor und nach dem Film haben und man daher auch nicht alles zeigen kann, wenn einem diese Menschen wichtig sind. Darauf muss man auch Rücksicht nehmen. In Exile Family Movie und auch in Die Souvenirs des Herrn X habe ich viele Sachen aus Respekt vor den teilnehmenden Protagonisten nicht veröffentlicht. In diesem Punkt war der Spielfilm sehr befreiend. Es ist zwar alles ein „Fake“, aber man kann vielleicht so zu einer größeren Wahrheit kommen, da man auch andere Formen und Mittel nutzen und radikaler sein kann.

Wie hat sich nach den beiden Dokumentarfilmen nun die Herangehensweise als anders erwiesen?
Arash T. Riahi: Wenn man seinen ersten Spielfilm machen will und nur davon besessen ist, dann kann man, glaube ich, schon mal depressiv werden, denn das ist ein sehr langwieriger Prozess, vor allem wenn man auf dem Gebiet Autodidakt ist. Ich konnte dieses Schicksal für mich abwenden, indem ich in den letzten Jahren Dokumentarfilme und Experimentalfilme gemacht habe. Ich habe diese Filme auch gerne gemacht und werde es auch weiterhin tun, denn für mich ist das Genre eher zweitrangig. Das Thema bestimmt die Form, danach entscheide ich und nicht nach dogmatischen Kriterien und Schulen. Beim Spielfilm entsteht alles vorher, beim Dokumentarfilm das meiste vor Ort. Das Spannende am Dokumentarfilm ist, man kann eine Idee und ein Konzept haben, dann geht man in die Welt hinaus, und alles kann die eigenen Vorstellungen überbieten. Bei einem Spielfilm hinkt man immer nach. Man hat im besten Fall ein Buch, das funktioniert, und muss täglich diese virtuellen Szenen mit den Schauspielern und dem Team zum Leben erwecken und zum Funktionieren bringen. Das ist der Druck, dem man jeden Tag ausgesetzt ist. Man ist glücklich, wenn man es zumindest so weit bringt wie das Buch. Das Beste ist natürlich, wenn es noch besser wird, indem die Schauspieler dem Ganzen noch etwas Magisches, Frisches hinzufügen. Die Arbeit an so einem Drehbuch dauert ja jahrelang. Es gab zwölf Treatmentfassungen, bis die Struktur stand. Das Schreiben der ersten Buchfassung ist dann ziemlich schnell gegangen, nur dann dauerte es wieder 14 Fassungen, bis es drehfertig war. Das Buch habe ich alleine geschrieben, aber immer zwei Dramaturgen zu Rate gezogen, Peter Berecz und David Wingate, mit dem ich auch an meinen Dokus gearbeitet habe. Die erste getimte Buchfassung war 164 Minuten, das musste ich auf 120 herunter bringen, daher auch die vielen Fassungen. Kürzen ist schwierig und tut weh, ist aber immer auch eine gute Komprimierung auf das Wesentliche. Das Filmen geht dagegen relativ schnell vor sich, wenn man mal das Budget beisammen hat. Wir haben insgesamt 41 Tage gedreht. Das Unangenehme am Spielfilmmachen ist der enorme Druck aufgrund der finanziellen Dimension eines Spielfilms und auch das Gefühl, dass man nur eine Chance für jede Szene hat. Wenn sie einem misslingt, kann man nicht später so wie beim Drehbuch noch weiter daran arbeiten. Dieser Druck bewirkt natürlich auch, dass sehr wenig Zeit bleibt, spontane Dinge einzufangen und zu improvisieren. Das möchte ich beim nächsten Mal unbedingt stärker einbinden können.

Die Protagonisten mussten einiges an Voraussetzungen erfüllen, wie aufwändig hat sich das Casting gestaltet?
Arash T. Riahi: Wir haben über eineinhalb Jahre gecastet, in Berlin, dann Stockholm, später London, Paris, Wien, dann noch Leipzig, Frankfurt. Die Anforderungen waren schwierig, weil wir persische Schauspieler suchten, die akzentfrei Persisch sprechen, einige sollten Anfang zwanzig sein und natürlich sollten alle vor allem gute Schauspieler sein. Dann brauchten wir drei Kinder zwischen fünf und sieben, die ebenfalls akzentfrei sprechen. Dazu kam, dass die Leute bereit sein mussten, an einem Film mitzuwirken, der regimekritisch ist. Diejenigen, die in den Iran zurückfahren wollten, waren ausgeschlossen. Navid Akhavan war der erste, den wir in Berlin gecastet haben und er war großartig. Wir haben für diese Rolle noch viel gecastet, aber Navid ist es letztendlich geworden. Fares Fares, ein in Libanon geborener Schauspieler, und noch zwei Iraner kamen aus Schweden, sieben Leute aus Frankreich, Cengiz Bozkurt, der den Hotelchef spielt, ist ein türkischer Star, drei kamen aus England und aus Österreich sind Johannes Silberschneider und Michael Niavarani dabei.
Das kleine Mädchen, das meine Schwester spielt, haben wir in Paris gefunden, sie hat sich auf Anhieb als sehr talentiert erwiesen. Das Problem, das sich bei Kindern stellt, ist, es muss auch organisatorisch und mit den Eltern klappen. Sie müssen für zwei Monate mit ihrem Kind in ein anderes Land verreisen, mit Schule und Kindergarten ein Arrangement finden, auf den Urlaub verzichten. Als wir das Mädchen gefunden hatten, sagten wir uns, es wäre ideal, wenn die anderen Kinder auch aus Frankreich kämen, damit sie miteinander reden können und der Coach, mit ihnen die Aufgaben in einer Sprache machen konnte. Das ist dann auch geglückt. Es gab die Befürchtung, dass die Kinder – das jüngste war fünfeinhalb – für die bevorstehenden Anforderungen zu klein wären. In Frankreich sind noch dazu die Bestimmungen sehr streng, zwei Arbeitsstunden dürfen nicht überschritten werden. Sie müssen vom Kinderpsychiater getestet werden, der Junge, bei dem wir uns am meisten gefürchtet haben, ob er der Aufgabe gewachsen ist, hat beim Psychiater schließlich am besten abgeschnitten! Ich hatte dennoch sehr großen Respekt vor der Sache mit den Kindern und auch Angst.

Wie verlief das Arbeiten mit den Kindern?
Arash T. Riahi: Ich kann prinzipiell sehr gut mit Kindern, was auch meine Rettung war. Im Drehbuch steht z.B. „das Kind weint und reitet in den Bergen“. Ja und dann muss man zuerst einmal das Kind zum Weinen bringen, und zwar so, dass es dadurch nicht traumatisiert wird, man muss dem Kind die Angst vor Pferden nehmen usw. Die Filmeltern eines Kindes kamen auch aus Paris. Ich habe sie gebeten, ohne die richtigen Eltern gemeinsam etwas zu unternehmen und z.B. mit den Kindern Ponyreiten zu gehen, um ihnen die Angst vor Pferden zu nehmen. Dann bat ich jedes Elternpaar um eine schriftliche Beschreibung der Kinder. So habe ich die Kinder kennen gelernt und wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden. Es war mir auch sehr wichtig, dass die Kinder nach einem harten Drehtag glücklich nach Hause gehen und sich auf den nächsten Tag freuen. Das Wichtigste bei den Kindern ist, dass sie es machen wollen. Wenn sie in der Früh kommen und man spürt, sie haben Lust zu drehen, dann klappt es auch. Wenn man in der Früh schon sieht, dass sie schläfrig und unwillig sind, dann wird es schwierig. Da muss man zu unlauteren Mitteln wie Geschenken und Süßigkeiten greifen, um sie zu motivieren. Die Kinder waren in der einen Geschichte Hauptfiguren, d.h. sie waren die ganze Zeit dabei. Wichtig war mir, trotz des Stresses die Kinder immer wieder zu beobachten und ihre persönlichen, spontanen Gesten einzufügen. Am glücklichsten war ich, wenn eine Szene, die ich geschrieben hatte, genau so oder besser funktionierte, wenn mir da und dort noch etwas Spontanes eingefallen ist oder das Ganze durch die Schauspieler noch so ein Pünktchen auf dem I bekommen hat.

Liest man das Drehtagebuch im Internet, so kann man daraus schließen, dass es sich um einen Dreh mit jeder Menge erschwerender Faktoren gehandelt hat?
Arash T. Riahi: Es gibt angeblich die Regel – für den ersten Film – Hände weg von Kindern und Tieren. Diese Regel war mir nicht so bekannt. Ich sagte mir, wenn ich das so hinbekomme mit den Kindern und Tieren, kann es in Zukunft nur leichter werden. Die Kinder zu finden war schon ein Ding, von ihnen etwas rauszuholen, noch einmal etwas anderes. Diese Angst hab ich aber nach wenigen Tagen verloren. Ich habe anfangs wenig geprobt, weil ich befürchtet habe, dass die Frische verschwindet. In der zweiten Hälfte habe ich dann, bei den schwierigeren Szenen viel mehr geprobt. Die Kinder haben dabei interessanterweise einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Beim Drehen wurden sie oft bei der zweiten Wiederholung schon ungeduldig, das Proben aber haben sie als Spiel gesehen. Da wollten sie eine Szene auch zehn Mal durchprobieren und am nächsten Tag waren sie stolz zu präsentieren, was sie gelernt hatten. Das kam mir sehr entgegen.
Die nächste Schwierigkeit stellten die Tiere, einer von den Schauspielern hatte extreme Tierangst. Navid Akhavan ist gleich bei der ersten Einstellung vom Pferd auf einen Stein gefallen und musste ins Spital, eine andere Schauspielerin ist am Berg ausgerutscht und hat sich die Knöchel verstaucht und musste am nächsten Tag dann zum Dreh auf den Berg hinaufgetragen werden. Vieles ist haarscharf an der Katastrophe vorbei gegangen.
Die Witterung war natürlich auch ein Problem. Für die Fluchtszenen fünf Pferde auf die Berge zu bringen, war schon eine harte Arbeit, dann war das Wetter so, dass es in der Früh einen Schneesturm gab, sodass man kaum an den Drehort gelangt ist, mittags war Sonnenschein, am Nachmittag hat es geregnet. Anschlussmäßig ist das tödlich. Wir haben manchmal Szenen, einmal mit Sonne, einmal mit Schnee gedreht und dazwischen viel Zeit verloren. Außerdem war es extrem kalt, Erzurum liegt in 2000 Meter Höhe. Da habe ich mich dann schon sehr auf den Studiodreh in Wien gefreut.
Was wirklich ein großes Problem wurde, waren die Konflikte unter den Schauspielern. Nach zehn Tagen konnten sich manche gar nicht mehr ausstehen, es gab Probleme zwischen den Eltern und den Betreuern usw. Ich hatte manchmal das Gefühl, ich musste nach oder während des Drehs mehr psychologische Betreuung machen als Regie. Ich war die Ansprechperson in emotionalen Dingen für sie, auch deshalb, weil sie mit mir in Persisch alles aussprechen konnten. Es kommt natürlich sehr auf die einzelnen Personen an, aber es hat sicherlich auch mitgespielt, dass Schauspieler aus ganz Europa auf dem Set waren und mit zehn, zwölf Hauptrollen fast alle gleichberechtigt waren. Am Ende war ich glücklich, dass es bis Drehschluss gehalten hat und die Schauspieler sich auch bemüht haben, ihre persönlichen Befindlichkeiten hintanzustellen und für den Film zu arbeiten. Entscheidend für mich war, neutral zu bleiben, mit allen zu reden, jedem zuzuhören und zu versuchen, für sie da zu sein, auch wenn es belastend war.

Mussten bei der Entscheidung über die Drehorte auch Fragen der Sicherheit berücksichtigt werden?
Arash T. Riahi: Auf jeden Fall. Während der Vorbereitungsreisen war vorgesehen, dass ein Teil in der Grenzstadt Van gedreht wird, wo alle Flüchtlinge hinkommen, wo auch ich selbst damals mit meinen Eltern einen Monat lang war. Einmal, als wir dort waren, gab es z.B. einen Bombenalarm und eine auf der Straße liegende Reisetasche wurde vor unseren Augen von der Polizei gesprengt. Die Flüchtlinge, die dort außerhalb der Stadt leben, erzählten mir, dass sie sich wegen der iranischen Geheimdienstleute nicht in die Stadt trauen. Es gibt auch die Konflikte zwischen kurdischen und türkischen Kämpfern. Wir beschlossen dann, dass es einfach zu riskant für die Schauspieler war, von denen die meisten selbst Flüchtlinge gewesen waren, und auch für mich. Wir haben den Dreh dann nach Erzurum ins Landesinnere verlegt.

Wie betrachten Sie rückblickend diese Dreherfahrung des ersten Spielfilms?

Arash T. Riahi: Das Schwierige an diesem Film ist vielleicht auch seine Stärke, dass er nicht in Österreich spielt, dass er nicht eine klassische Geschichte erzählt, sondern drei Geschichten beinhaltet. Ich habe sicherlich so lange gebraucht, den Film auf die Beine zu stellen, weil er so komplex und so groß ist. Hätte ich ein Kammerspiel in Österreich inszenieren wollen, dann hätte ich ihn vielleicht schon vor vier Jahren machen können. Der Film war teuer, weil wir eineinhalb Monate an Orten in der Türkei gedreht haben, wo es keine filmische Infrastruktur gab, weiters haben wir mit 30, 40 Schauspielern, die man aus ganz Europa einfliegen musste, gedreht. Der Film wäre in der Form mit einem kleinen, unerfahrenen Team nicht möglich gewesen und ich bin froh, dass ich gute Leute mit viel Erfahrung hatte. Es kann aber auch anstrengend sein, denn als Regisseur eines ersten Spielfilms muss man in einem erfahrenen Team um seine Ideen immer wieder feilschen, bis sie akzeptiert werden. Ich wollte z.B. Dinge machen, die nicht unbedingt eine Geschichte, sondern eine Stimmung erzählen, und so etwas steht natürlich nicht im Drehbuch. Dafür musste ich jedes Mal kämpfen, da die Zeit sehr knapp war. Wir hatten eine Gesamtdrehzeit für einen 90-Minuten-Film, in der wir einen 120-Minuten-Film gedreht haben und haben es mit Müh und Not auch geschafft. Es ist mir auch von außen viel Angst vor diesem ersten Film gemacht worden („Du weißt nicht, was dich da erwartet“). Ich habe aber vorher andere Sachen gemacht und bin Stress gewohnt. Was wirklich belastend war, waren die Konflikte zwischen den Schauspielern. Der Dreh selbst, der Druck und der Stress, war so, wie ich erwartet hatte und natürlich macht man in dieser kurzen Zeit einen enormen Lernprozess durch. Nach dem letzten Film herrscht natürlich auch ein Erfolgsdruck von Außen, auf den ich gerne verzichten würde, aber das gehört wohl dazu. Die drei Filme, die ich seit 2003 gemacht habe, sind Projekte, die ich seit Anfang zwanzig mit mir trage. Wenn ich die drei nun fertig habe, dann ist ein Kapitel in meinem Leben abgeschlossen. Ich spüre auch eine große Entlastung, dass diese große Wand des ersten Spielfilmes überwunden ist, was auch immer aus dem Film wird. Es ist, glaube ich, ein bisschen so, als ob man die Chinesische Mauer erklommen hat und danach alle anderen Mauern nicht mehr so groß erscheinen, auch wenn sie vielleicht höher sind.

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